O F F E N E R B R I E F
11 September 2020
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Merkel,
es ist sechs Jahre her, seit Prof. Ilham Tohti, auch der „Mandela der Uiguren“ genannt, zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Gefängnis No.1 in Urumchi in Einzelhaft sitzt, obwohl er sich für ethnische Harmonie in China und für die Umsetzung des Autonomierechtes in Xinjiang eingesetzt hatte. Wir haben keinerlei Nachricht über sein Befinden, seine Frau und seine Kinder konnten ihn seit mehr als drei Jahren nicht besuchen. Deswegen sind wir äußerst besorgt um seinen psychischen und leiblichen Zustand und seine Familie leidet enorm unter dem Druck und sozialer Ausgrenzung in Beijing.
Seit seiner Verurteilung hat sich die Menschenrechtslage der Uiguren dramatisch verschlechtert: Ein bis drei Millionen Menschen wurden in Straflagern inhaftiert, uigurische Frauen sterilisiert, Zwangsabtreibungen und Zwangsarbeit verordnet, jede Ausdrucksform religiöser Gefühle kriminalisiert, Moscheen und Friedhöfe zerstört, Kinder in Waisenheime gesperrt. Die Identität des uigurischen Volkes soll mit allen Mitteln ausgelöscht werden. Dieses Vorgehen entspricht der Definition von Völkermord gemäß der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen.
Die CCP hat chinesische Menschenrechtler und den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo im Gefängnis sterben lassen und nun fürchten wir um Ilham Tohtis Leben. Doch eine liberale Stimme wie die Ilham Tohtis wäre nicht nur für die Uiguren, sondern allgemein für Frieden, Stabilität und Völkerfreundschaft von allergrößter Wichtigkeit.
Angesichts dieser Situation bitte ich Sie, liebe Frau Merkel, sich für die Rechte der Uiguren einzusetzen und Xi Jinping aufzufordern, Prof. Ilham Tohti und alle uigurischen politischen Gefangenen freizulassen, sowie die Straflager zu schließen. Während der EU-Ratspräsidentschaft ist es die moralische und politische Verantwortung Deutschlands, der Volksrepublik China klarzumachen, dass der Völkermord an den Uiguren nicht hinnehmbar ist.
Falls eine Freilassung oder eine Ausreise nach Deutschland zu medizinischer Behandlung absolut ausgeschlossen ist, sollte er zumindest von Urumchi nach Peking überstellt werden, damit seine Familie ihn regelmäßig besuchen kann!
Mit freundlichen Grüßen,
Enver Can
Vorstandsvorsitzender der Ilham Tohti Institute
Eichenstraße 19, 85235 Odelzhausen